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Esprit will anders verkaufen

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Die­se Woche hat Esprit-CEO José Manu­el Mar­ti­nez sei­ne ers­te wirk­lich bedeu­ten­de Stra­te­gie­än­de­rung öffent­lich gemacht: Esprit legt Hand an sei­ne Kol­lek­ti­ons­sys­te­ma­tik, und das grund­le­gend. Statt des bis­he­ri­gen 12 Kol­lek­ti­ons-Ryth­mus soll es künf­tig nur noch vier sai­so­na­le Kol­lek­tio­nen geben, ergänzt um zwei Über­gangs­the­men. Der Han­del ordert nur noch sechs- statt wie bis­her zwölf­mal. Zugleich ändert man die Kol­lek­ti­ons­struk­tur: Koor­di­nier­te The­men für die Rück­wand, Men­gen­ar­ti­kel für den Mit­tel­raum, dazu modi­sche Kap­sel­kol­lek­tio­nen und durch­lau­fen­de NOS-Pro­gram­me – im Prin­zip ist dies das Zara-Modell, aber natür­lich mit ande­ren Inhal­ten gefüllt.

Da muss­te einer vom welt­bes­ten Ver­ti­ka­len Indi­tex kom­men, um zu erken­nen, dass das von Esprit und ande­ren Anbie­tern seit Jah­ren prak­ti­zier­te 12 Kol­lek­tio­nen-Modell am Ende nicht ziel­füh­rend ist. Und zwar des­we­gen, weil es sich um ein Who­le­sa­le-getrie­be­nes Kon­zept han­delt.

Aus Sicht der Lie­fe­ran­ten geht es beim 12er-Sys­tem um die Maxi­mie­rung von Ver­kaufs­chan­cen, bei gleich­zei­ti­ger Mini­mie­rung des Kol­lek­ti­ons­ri­si­kos. Der Ver­trieb kann dem Han­del jeden Monat etwas ver­kau­fen (im Zwei­fel mehr als die­ser braucht), und wenn eine Kol­lek­ti­on mal dane­ben liegt, betrifft das nur einen Monats­um­satz und man hat schon nach vier Wochen die Mög­lich­keit zur Kor­rek­tur. Idea­ler­wei­se hat man das Volu­men auch noch über fes­tes Mobi­li­ar flä­chen­mä­ßig abge­si­chert, was eine schö­ne Pla­nungs­grund­la­ge abgibt und ein ver­gleichs­wei­se ste­ti­ges Busi­ness ermög­licht.

Der Han­del hat die­se Sys­te­me ange­nom­men, weil sie Effi­zi­enz­vor­tei­le und per­ma­nen­te Aktua­li­tät ver­spra­chen. Er ist aber lei­der in wei­ten Tei­len ent­täuscht wor­den. Die Durch­schnitts-LUGs im Mul­ti­la­bel-Geschäft tre­ten trotz der Inte­gra­ti­on ver­meint­lich ver­ti­ka­ler Sys­te­me seit Jah­ren auf der Stel­le. Wes­we­gen es seit ein paar Sai­sons eine Gegen­be­we­gung zu den Flä­chen­kon­zep­ten gibt. Letzt­lich ver­mit­teln die meis­ten Sys­te­me halt nur eine Illu­si­on von New­ness – eine Aktua­li­tät, die der Kun­de auf der Flä­che kaum wahr­nimmt und womög­lich gar nicht sucht. Und sie sind eine Simu­la­ti­on von Ver­ti­ka­li­tät. Denn es besteht in den meis­ten Fäl­len weder der not­wen­di­ge Durch­griff auf die Flä­chen, noch ist der Han­del in der Brei­te bereit, sei­nen Lie­fe­ran­ten wenigs­tens teil­wei­se Ver­trau­ens­li­mits ein­zu­räu­men. Damit fehlt der Indus­trie die Mög­lich­keit zur kurz­fris­ti­gen Tren­d­re­ak­ti­on. Und die Kol­lek­ti­ons­ent­wick­lung ver­fängt sich wei­ter­hin in zeit­rau­ben­den Abstim­mungs­schlei­fen zwi­schen Design, Pro­dukt­ma­nage­ment, Buy­ing und Who­le­sa­le, die am Ende zu kom­mer­zi­ell weich­ge­spül­ten, auf Sicher­heit set­zen­den und daher wenig pro­fi­lier­ten Pro­duk­ten füh­ren. Ein wesent­li­cher Erfolgs­fak­tor von H&M und Zara ist eben, dass die Pro­dukt­leu­te den Lead haben und unab­hän­gig von den ver­meint­li­chen Bedürf­nis­sen von Groß­han­dels­kun­den und dem Fil­ter eines unab­hän­gi­gen Ein­kaufs kla­re Kol­lek­ti­ons­aus­sa­gen am POS machen kön­nen.

Das ist denn auch die Idee hin­ter den Fast-to-mar­ket-Arti­keln, die Esprit ger­ne unter Umge­hung von Ver­trieb und Ein­kauf ein­steu­ern möch­te und die bis zu 20 oder 30 Pro­zent des Volu­mens aus­ma­chen sol­len. Die Fra­ge ist frei­lich, ob der Han­del der Mar­ke die­ses Ver­trau­en noch ent­ge­gen­bringt. Zumin­dest wird es sei­ne Zeit brau­chen. Im eige­nen Ein­zel­han­del wird man das dage­gen schnell umset­zen kön­nen.

Jose Manu­el Mar­ti­nez geht mit der Ände­rung der Kol­lek­ti­ons­sys­te­ma­tik ein hohes Risi­ko ein. Auch wenn das neue Kon­zept Sinn ergibt – der Han­del ist bekannt­lich trä­ge. Und er hat Alter­na­ti­ven. Am Ende wird ent­schei­dend sein, ob Esprit die rich­ti­gen Pro­duk­te an den POS bringt. Pro­duk­te, die die Kun­den kau­fen wol­len.

Die Redu­zie­rung der Kol­lek­ti­ons­an­zahl und ‑brei­te bringt Men­gen­vor­tei­le in der Beschaf­fung, die Esprit ent­we­der in die Qua­li­tät oder in die Mar­ge (oder in bei­des) inves­tie­ren kann. Über den neu­en Order­ka­len­der rückt man mit der Pro­dukt­ent­wick­lung zudem näher an den Ver­kauf. Theo­re­tisch soll­ten die Kol­lek­tio­nen dadurch treff­si­che­rer und die Preis­ab­schrif­ten weni­ger wer­den.

Dass das Gan­ze, wie zu lesen ist, eine Initia­ti­ve zur Ein­däm­mung der Waren­flut im Mode­han­del sein soll, ist natür­lich Blöd­sinn. So viel Altru­is­mus las­sen die Share­hol­der nicht zu. Denn Esprit wird ja nicht weni­ger ver­kau­fen wol­len. Bloß anders.

Bit­te lesen Sie dazu auch: Ein Hol­län­der ist schon­mal aus­ge­schie­den – Ronald van der Vis bei Esprit

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