Passiert large

Abercrombie unter Beschuss. Harper’s Bazaar mit Yoox. Google mit Saturn. Asos ohne Primark.

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Mit Employ­er Bran­ding braucht Aber­crom­bie & Fitch dem Nach­wuchs vor­erst nicht zu kom­men. Kaum eine Woche ver­geht ohne Schlag­zei­len über die – wohl­wol­lend for­mu­liert – spe­zi­el­le Per­so­nal­po­li­tik der Ame­ri­ka­ner. In Ham­burg kla­gen 30 Mit­ar­bei­ter gegen die Abschaf­fung der Nacht­schicht. Damit A&F die Zuschlä­ge ein­spa­ren kann, soll das Per­so­nal mor­gens ab 4 Uhr den Laden auf­räu­men. In Frank­furt müs­sen Hol­lis­ter-Mit­ar­bei­ter Dieb­stahls-Kon­trol­len über sich erge­hen las­sen; nach Pro­tes­ten über die lücken­lo­se Über­wa­chung ver­fährt man mitt­ler­wei­le nach dem Zufalls­prin­zip: es wird gewür­felt, die 4 ver­liert. Bis vor kur­zem durf­ten die Mit­ar­bei­ter der Spät­schicht nur unter Bewa­chung auf die Toi­let­te. In Ober­hau­sen klag­ten Hol­lis­ter-Mit­ar­bei­ter u.a. des­we­gen erfolg­reich auf Scha­den­er­satz.

Immer wie­der ein The­ma sind Dis­kri­mi­nie­rungs­vor­wür­fe: Schon 2005 muss­te A&F des­we­gen in den USA 50 Mill. Dol­lar für Ent­schä­di­gun­gen und Anwalts­kos­ten bezah­len. Auch in Lon­don und Paris gab es ent­spre­chen­de Kla­gen. 2009 ver­lor das Unter­neh­men in Groß­bri­tan­ni­en einen Pro­zess gegen eine Mit­ar­bei­te­rin, der man wegen ihrer Arm-Pro­the­se gekün­digt hat­te.

Der jüngs­te Fall wur­de die­se Woche publik: In Kali­for­ni­en ver­klag­te eine 19jährige Mus­li­min Hol­lis­ter auf Scha­den­er­satz; das Unter­neh­men hat­te ihr wegen ihres Kopf­tuchs gekün­digt. Das Gericht gab ihr Recht.

Natür­lich kann man sich fra­gen, war­um eine gläu­bi­ge Mus­li­min aus­ge­rech­net in so einem Ani­mier­schup­pen arbei­ten möch­te. Auf der ande­ren Sei­te ist die Argu­men­ta­ti­on ihres Für­spre­chers von der US-Bun­des­gleich­stel­lungs­be­hör­de nach­voll­zieh­bar: „Nie­mand soll­te sich zwi­schen sei­ner Reli­gi­on und sei­nem Job ent­schei­den müs­sen.“ Das Gericht moch­te der Argu­men­ta­ti­on von Aber­crom­bie & Fitch nicht fol­gen, dass eine Auf­wei­chung der Look Poli­cy den geschäft­li­chen Erfolg gefähr­de.

Der gesun­de Men­schen­ver­stand mag das nahe­le­gen. Nur ist der gesun­de Men­schen­ver­stand im Mode­busi­ness manch­mal ein schlech­ter Rat­ge­ber. Die­ses Geschäft basiert auf Iden­ti­fi­ka­ti­on und Distink­ti­on. Die Kun­den – also wir alle – wol­len mit Beklei­dung Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit zei­gen. Und wir wol­len uns von den ande­ren abgren­zen. Aber­crom­bie & Fitch hat aus die­sem Abgren­zungs­be­dürf­nis eine Aus­gren­zungs­stra­te­gie abge­lei­tet: „Wir wol­len die coo­len Kids“, hat A&F‑CEO Mike Jef­freys schon vor Jah­ren klar gemacht. „Vie­le Men­schen haben in unse­rer Klei­dung nichts zu suchen.” Das zu sagen ist natür­lich poli­tisch unkor­rekt. Aber das ist die Kern­bot­schaft von Mode. Man soll­te sich als Mode­pro­fi des­we­gen hüten, mit dem Fin­ger auf Jef­freys zu zei­gen. Auch wenn der bald 70jährige es einem mit dem ver­zwei­fel­ten Bemü­hen, sich optisch sei­ner Ziel­grup­pe anzu­nä­hern, leicht macht.

Aber­crom­bie & Fitch zieht sei­ne Aus­gren­zungs­stra­te­gie mit gna­den­lo­ser Kon­se­quenz durch. Es gibt im Mode­busi­ness nicht weni­ge, die die­se Radi­ka­li­tät bewun­dern. Die Gren­ze ist da erreicht, wo Kon­se­quenz in sozia­le Unver­träg­lich­keit umschlägt. Der pene­tran­te Par­fum­ge­ruch, den die Filia­len ver­strö­men ist da noch das harm­lo­ses­te Ärger­nis. Gegen Geset­ze zu ver­sto­ßen, ist etwas ganz ande­res. Nur was soll man ande­res erwar­ten von einem Unter­neh­men, das sei­ne Mit­ar­bei­ter zu „Store Models“ und damit zum Teil der Laden­ein­rich­tung macht? Dass A&F das Umsatz­mi­nus und die schlech­te Ertrags­la­ge im Aus­lands­ge­schäft unlängst auf die weni­ger fle­xi­ble­ren Arbeits­ge­set­ze in Euro­pa zurück­führ­te, zeugt nicht gera­de von Ein­sicht.

Es ist auch nur die hal­be Wahr­heit. Das Haupt­pro­blem von Aber­crom­bie und Hol­lis­ter ist  viel­mehr, dass die­se Kon­zep­te sich lang­sam tot­lau­fen. Die coo­len Kids wen­den sich zuneh­mend ab. Vor zehn, 15 Jah­ren tru­gen die Gays ihre Mus­keln in „Aber­crom­bie & Fitch“ spa­zie­ren. Bis vor bald vier Jah­ren die ers­ten Läden in Deutsch­land eröff­ne­ten, zeig­te man sich in A&F als infor­mier­ter New York-Tou­rist. Heu­te ist das eine Mar­ke, die von Ange­bern getra­gen wird, denen Ed Har­dy zu prol­lig gewor­den ist. Und die Läden wer­den von klei­nen Mäd­chen bevöl­kert, die allen­falls eine vage Ahnung haben, wes­halb sie sich von Wasch­brett­bäu­chen ange­zo­gen füh­len.

Spä­tes­tens wenn das Par­fum nach der ers­ten Wäsche ver­duf­tet ist, erkennt man, dass die T‑Shirts und Hoo­dies von A&F nicht bes­ser sind. Nur teu­rer.

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Und sonst?

Hat Pri­mark sein Online-Expe­ri­ment mit Asos nach nur drei Mona­ten been­det. Kein Wun­der, wo das Por­to doch in vie­len Fäl­len teu­rer kam als die Kla­mot­ten.

Arbei­tet Harper’s Bazaar neu­er­dings mit Yoox zusam­men. Online-Händ­ler spie­len Mode­ma­ga­zin und Mode­ma­ga­zi­ne eröff­nen Web­shops. Bei Harper’s Bazaar ist das schon vom Namen her nahe­lie­gend. Man darf davon aus­ge­hen, dass das bei Bur­das Launch der deut­schen Harper’s Bazaar eine Rol­le gespielt hat.

Eröff­ne­te Goog­le in Ham­burg ein sta­tio­nä­res Geschäft. Goog­le! Es han­delt sich um einen 100 m² gro­ßen Shop bei Saturn, wo man Chrome­books und Nexus-Gerä­te kau­fen kann. Wenn nun schon eine Such­ma­schi­ne Läden macht, was wer­den Online-Kauf­häu­ser wie Ama­zon da dem­nächst tun?

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