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Flaute in Düsseldorf. Streit in Berlin.

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In Düs­sel­dorf wird immer deut­li­cher, was seit Sai­sons spür­bar ist: Der Stand­ort der ehe­mals welt­größ­ten Mode­mes­se wan­delt sich zum regio­na­len Order-Schau­platz. Dort war­tet die Mode­indus­trie in ihren rie­si­gen Show­rooms auf Ein­zel­händ­ler aus NRW und Russ­land. Dazu kom­men die, die aus alter Gewohn­heit an den Rhein fah­ren. Und natür­lich die Ein­kaufs­teams der paar gro­ßen Filia­lis­ten und Platz­hir­sche. Am Sonn­tag war die Fre­quenz in Hal­le 29ff und auch in den Show­rooms auf der Kai­sers­wert­her jeden­falls ziem­lich schwach. Viel­leicht war es ja die Hit­ze. Dass doch noch ein paar Händ­ler ange­reist waren, spür­te man am Abend auf der gut besuch­ten „Spa­nish Night“ von Ger­ry Weber & Co. Aber da gab es ja auch was umsonst.

Doch im Ernst: Düs­sel­dorf hat nicht nur gegen Ber­lin ver­lo­ren. Der Mes­se­stand­ort ist auch ein Opfer des Struk­tur­wan­dels der Bran­che. Es gibt schlicht­weg nicht mehr so vie­le Ein­zel­händ­ler wie zu Hoch­zei­ten von Ige­do und CPD. Das hat der BTE die­se Woche amt­lich gemacht: Die Zahl der Unter­neh­men im deut­schen Tex­til­ein­zel­han­del ist seit dem Jahr 2000 von fast 36.000 auf etwas über 22.000 im Jahr 2011 zurück­ge­gan­gen. Die 27 Groß­un­ter­neh­men mit mehr als 100 Mil­lio­nen Jah­res­um­satz haben heu­te knapp 50% Markt­an­teil, vor zehn Jah­ren waren es noch 14 Pro­zent­punk­te weni­ger.

Auch bei dem gewal­ti­gen Auf­trieb, den Ber­lin zwei­mal im Jahr erlebt, kann man leicht ver­ges­sen, dass sich dort nur ein Teil des Mark­tes trifft. Und zwar ein ten­den­zi­ell schrump­fen­der. Was wächst, sind Sys­tem­flä­chen und ver­ti­ka­le Filia­lis­ten. In die­sem Geschäfts­mo­dell sind Mode­mes­sen nicht vor­ge­se­hen bzw. sie erfül­len eine ande­re Funk­ti­on: Wenn Best­sel­ler & Co sich auf der Bread & But­ter zei­gen, dann sind das Wer­be­flä­chen. Um die aktu­el­len Kol­lek­tio­nen geht es nur am Ran­de. Fürs Busi­ness ist so ein Auf­tritt nicht zwin­gend not­wen­dig.

Hier liegt auch der Kern des Pro­blems, das die CPD hat­ten. Die Markt­mit­te ist auf dem Weg in die Ver­ti­ka­li­tät. Ein­zel­händ­ler wie P&C bau­en suk­zes­si­ve ihr Pri­va­te Label Busi­ness aus. Und die Indus­trie expan­diert mit eige­nen Läden. Ob die Retail-Träu­me der Lie­fe­ran­ten in jedem Fall auf­ge­hen wer­den, steht auf einem ande­ren Blatt. Aber auch Who­le­sa­le sieht heu­te ganz anders aus. Die Order‑, Pro­duk­ti­ons- und Dis­tri­bu­ti­ons­rhyth­men der Flä­chen­sys­te­me ver­lan­gen eine per­ma­nen­te Ver­triebs-Prä­senz, wie sie nur ein Show­room bie­tet.

Zugleich bleibt das Mode­ge­schäft – wahr­schein­lich mehr noch als ande­re Bran­chen – ein Face-to-Face-Busi­ness. Des­we­gen funk­tio­niert Ber­lin. Dort geht es um Kom­mu­ni­ka­ti­on, um Inspi­ra­ti­on, um Moti­va­ti­on. Die Ber­li­ner Macher haben Ver­an­stal­tun­gen geschaf­fen, wie sie die Mes­se-Mana­ger andern­orts nicht auf die Bei­ne gestellt bekom­men haben.

Das macht die aktu­el­len Nach­rich­ten aus der Haupt­stadt durch­aus beun­ru­hi­gend. Der Krach der Pre­mi­um-Grün­der war vor drei Wochen bereits Mes­se­ge­spräch. Jetzt haben die (ledig­lich geschäft­lich ver­ban­del­ten und zufäl­lig gleich hei­ßen­den) Till­manns die Schei­dung ein­ge­reicht. Ani­ta bean­sprucht das Sor­ge­recht für das gemein­sa­me Kind. Wol­len wir hof­fen, dass die Pre­mi­um nicht dar­un­ter lei­det.

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In den kom­men­den Wochen ist Fer­ra­gos­to bei Pro­fa­shio­nals. Ich schal­te um auf Som­mer­pro­gramm und wün­sche eine schö­ne Urlaubs­zeit.

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8 Antworten zu “Flaute in Düsseldorf. Streit in Berlin.

  1. Lie­ber Jür­gen,
    Ich tei­le Dei­ne Mei­nung zur struk­tu­el­len Ent­wick­lung des Mark­tes glo­bal gese­hen. Sie ist aber mei­nes Erach­tens zu stark von der Beob­ach­tung der Ver­gan­gen­heit geprägt. Bist Du nicht mehr so nah am Markt? Momen­tan sehe ich eher, dass Sys­tem­flä­chen im Markt der Mit­te sta­gnie­ren und im Han­del eine Ten­denz dazu besteht, die Ange­bo­te indi­vi­du­el­ler zu prä­sen­tie­ren und Fla­chen abzu­bau­en. Gleich­wohl wer­den Waren­flüs­se zwi­schen Mar­ken und Hän­del in Anleh­nung an ver­ti­ka­le Pro­zes­se über EDI gesteu­ert. Das ist beson­ders in schwie­ri­gen Zei­ten betriebs­wirt­schaft­lich not­wen­dig. Ich ken­ne vie­le Händ­ler, die wie­der mehr Mut haben, indi­vi­du­el­ler ein­zu­kau­fen und vor allem neue fri­sche Mar­ken auf­zu­neh­men. Der Trend ist mög­li­cher­wei­se noch nicht stark genug aber nach mei­ner Beob­ach­tung deut­lich zu spü­ren.
    Klar ist, auch Düs­sel­dorf ist als Mode­ein­kaufs­stadt vom Struk­tur­wan­del getrof­fen. (Das gilt wie Du ja sicher gespürt hast auch für Ber­lin) Düs­sel­dorf hat aber mei­ner Ansicht nach die größ­ten Schwie­rig­kei­ten hin­ter sich und ist auf guten Wege sich mit einem eige­nen Flair und Charme neu zu posi­tio­nie­ren.
    Das funk­tio­niert auch ohne staat­li­che Sub­ven­tio­nen ganz gut. Es gibt neu­es unter­neh­me­ri­sches Enga­ge­ment. Unter­neh­men wie Marc O’Po­lo, Lezard, Wind­sor ins­ves­tiern in Show­rooms. Die Kai­sers­wert­her Stra­ße und Ceci­li­en­al­lee , die Unter­neh­mer­stadt, das Fashion House, der Hafen (ich kann sie gar nicht alle auf­zäh­len) sind Stand­or­te von Show­rooms mit für fet­tes Busi­ness. Dann gibt es die ’neu­en’ Mes­sen The Gal­lery, Suprem. Sogar die Pre­mi­um hält Düs­sel­dorf für einen wich­ti­gen Order­platz. Es gibt tau­sen­de von Mög­lich­kei­ten indi­vi­du­el­le ein­zu­kau­fen. Ich war begeis­tert vom unter­neh­me­ri­schen Enga­ge­ment der Suprem in Zusam­men­ar­beit mit Aco und ihrer Par­ty mit den Desi­gner Trunk­shows. Mase­r­a­ti konn­te als Spon­sor gefun­den wer­den. Dank vie­ler Spon­so­ren wur­de auch im Gefäng­nis an der Ulmer Höh bis zum Anbruch des Mor­gens kräf­tig gefei­ert. Die Bun­te bringt nach wir vor New Faces. Die AMD zeig­te eine klas­se Abschluss­mo­den­schau. In Düs­sel­dorf geht die Saat all­mäh­lich auf. Da bin ich mir sicher. Mir haben die Geprä­che in Düs­sel­dorf spaß gemacht, ins­be­son­de­re dann, wenn deut­lich wur­de, dass man in die ‘Hän­de spuckt’ und anpa­cken will.
    Über­i­gens war ja auch Karl-Heinz in Düs­sel­dorf zum Ein­kau­fen und hat sich sehr gut auf der Aco Par­ty amu­siert. Auch Ani­ta habe ich gut gelaunt getrof­fen. Irgend­was muss doch dran sein an Düs­sel­dorf, meinst Du nicht?
    Ich mei­ne auch, dass wir in drei Sai­son nicht mehr über die Pro­ble­ma­tik des Düs­sel­dorf Fashion Net dis­ku­tie­ren müs­sen, denn inzwi­schen gibt es Ein­sich­ten und die Bereit­schaft wächst, einen Bei­trag für Düs­sel­dorf zu leis­ten.
    Ber­lin hat einen Rei­fe­grad erreicht, der nach­denk­lich stimmt. Da wird mehr geges­sen als man ver­tra­gen kann. Hier mache ich mir mehr Sor­gen als um Düs­sel­dorf.
    Rai­ner

    1. Ich sehe kei­nen Wider­spruch zwi­schen uns, Rai­ner. Wenn die Fre­quenz in Düs­sel­dorf schwach war, dann heißt das ja nicht, dass die­je­ni­gen, die da waren, nicht ordent­lich gear­bei­tet und gefei­ert haben. Die Ten­denz zum indi­vi­du­el­le­ren Ein­kauf sehe ich eben­so. Das ist auch eine Reak­ti­on dar­auf, dass die meis­ten Flä­chen­kon­zep­te nicht hal­ten, was die Lie­fe­ran­ten ver­spro­chen haben. “Zusam­men sind wir Zara” war in ers­ter Linie Kro­gner­sche Pro­pa­gan­da. Das ändert aber nichts an der Tat­sa­che, dass das ver­ti­ka­le Geschäfts­mo­dell wei­ter Markt­an­tei­le gewin­nen wird. Eine Rück­kehr zur alt­her­ge­brach­ten Arbeits­tei­lung zwi­schen Han­del und Indus­trie wird es eben­so­we­nig geben wie eine Renais­sance der Deutsch­land-Pro­duk­ti­on. Je nach Ziel­grup­pe, Ver­kaufs­flä­che, Stand­ort und Wett­be­werbs­si­tua­ti­on wird der klas­si­sche Fach­han­del mehr oder weni­ger Sys­tem-Lie­fe­ran­ten in sein Sor­ti­ment inte­grie­ren. Das kön­nen, müs­sen aber kei­ne möblier­ten Mar­ken-Shops sein. Die machen nicht zuletzt unfle­xi­bel. Ent­schei­dend ist, wie Du rich­tig schreibst, die Art und Wei­se der Bewirt­schaf­tung. Das alles heißt nicht, dass kein Platz mehr wäre für neue Mar­ken und Ange­bo­te. Die braucht der Fach­han­del zur Pro­fi­lie­rung. Und die fin­det er nur auf Mes­sen.

  2. Lie­be Miri­am,
    das war “poli­tisch” die rich­ti­ge Ant­wort!
    Lei­der ist das aber nur ein Teil des Pro­blems in Düs­sel­dorf. Schaue Dir doch ein­fach mal die Struk­tur bei Fashion­net an und Du weißt war­um in Düs­sel­dorf von den Mar­ken der Mit­te gespro­chen wird. Düs­sel­dorf steht eigent­lich für Gla­mour und CHIC !
    Die vom OB in Auf­trag gege­be­ne Stu­die “Düs­sel­dorf Mode­stand­ort No 1 ” ist ein abso­lu­ter Witz und führt nur dazu das die Poli­tik glaubt, alles ist in Ord­nung.
    Das Köln jetzt das Ren­nen im Bereich Kin­der­be­klei­dung gewon­nen hat ist kein Pro­blem des Struk­tur­wan­dels son­dern eher die Fra­ge des Manage­ment und der Orga­ni­sa­ti­on.

    1. Hi Mat­thi­as, ich mache kei­ne Poli­tik son­dern beob­ach­te den Markt unter inter­na­tio­na­len Gesichts­punk­ten… Da spielt Deutsch­land mit all sei­nen Mes­sen – wer, war­um und wes­halb – nur eine klei­ne Rol­le…

  3. Eine per­fek­te Ein­schät­zung des Mark­tes.… so ergeht es nicht nur dem deut­schen Markt, son­dern vie­len wei­te­ren Märk­ten.… eben eine glo­ba­le Ent­wick­lung.….

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