Passiert large

Primark in Karlsruhe, Tote in Bangladesch. Belstaff bei Woolworth. Und das alles zum Weihnachtsgeschäft.

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Es ist schi­zo­phren, aber nichts Neu­es: Da empö­ren sich die Leu­te einer­seits über die schreck­li­che Brand­ka­ta­stro­phe in der Tex­til­fa­brik in Ban­gla­desch. Zu Recht. Und in der­sel­ben Woche sind sie in Karls­ru­he in hel­ler Auf­re­gung, weil Pri­mark dort ein wei­te­res Schnäpp­chen­pa­ra­dies eröff­net. “Wer ein T‑Shirt für 99 Cent kauft, der muss – bei aller Freu­de über den nied­ri­gen Preis – wis­sen, dass die­ser nied­ri­ge Preis auf Kos­ten der Erzeu­ger geht”, mahn­te Ent­wick­lungs­mi­nis­ter Dirk Nie­bel, übri­gens als Nef­fe eines Hei­del­ber­ger Tex­til­händ­lers ent­fernt vom Fach. Er hät­te zün­den­der for­mu­lie­ren kön­nen: Wäh­rend in Karls­ru­he die Kas­sen glü­hen, bren­nen in Ban­gla­desch die Men­schen. “Feu­er und Flam­me für C&A”, schrieb ein zyni­scher Blog­ger.

Nor­bert “Die-Ren­te-ist-sicher” Blüm hat sich eben­falls zu Wort gemel­det: “Auch für Schnäpp­chen­jä­ger gibt es Gren­zen der Mensch­lich­keit.” Sol­che Appel­le an die kri­ti­sche Ver­nunft der Kon­su­men­ten sind wohl­feil. Nicht die Schnäpp­chen­jä­ger sind zu kri­ti­sie­ren. Die wol­len und sol­len beden­ken­los kau­fen kön­nen. Schon eher sind Han­del und Indus­trie in der Pflicht, auf “sau­be­re” Geschäf­te zu ach­ten. Man darf den Brenn­inkmey­ers als gläu­bi­gen Chris­ten und mil­li­ar­den­schwe­ren Phil­an­tro­phen abneh­men, dass sie bei C&A ein Auge auf kor­rek­te öko­lo­gi­sche und Sozi­al-Stan­dards haben. Im aktu­el­len Fall han­delt es sich wohl um Brand­stif­tung und um kri­mi­nel­les Fehl­ver­hal­ten des Manage­ments vor Ort. Davor schützt kein Audit.

Der Nach­fra­ge­druck der Indus­trie ist das eine. Letzt­lich ist es vor allem die Auf­ga­be der Regie­run­gen in Ban­gla­desch und anders­wo, men­schen­wür­di­ge Rah­men­be­din­gun­gen durch­zu­set­zen. Der Appell von H&M‑Chef Karl-Johan Pers­son an die Regie­rung von Ban­gla­desch neu­lich, den Min­dest­lohn zu erhö­hen, ging an die rich­ti­ge Adres­se. Dass sol­che kos­ten­trei­ben­den Maß­nah­men häu­fig nicht im Inter­es­se der herr­schen­den Eli­ten in den Pro­duk­ti­ons­län­dern sind, steht auf einem ande­ren Blatt. Auch wenn es bil­lig ist, nach der Poli­tik zu rufen: Aber dar­um könn­te sich der Ent­wick­lungs­mi­nis­ter mal kon­kret küm­mern.

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Tote in Ban­gla­desch, Gift in der Klei­dung – und all das zum Auf­takt des Weih­nachts­ge­schäfts. Das steht 2012 unter kei­nem guten Stern. Die GfK behaup­tet zwar, dass der Ein­zel­han­del erfolg­rei­che Wochen vor sich hat. Die Mode­händ­ler tei­len die­sen Opti­mis­mus aber nicht, wie die TW in einer Umfra­ge ermit­telt hat. Nur jeder Sechs­te rech­net mit einem Plus. Die Geschäf­te lau­fen seit Okto­ber schlecht, und so hau­en vie­le Händ­ler auf die Preis­trom­mel, kaum dass sie den Mid Sea­son Sea­son Sale (was für ein merk­wür­di­ger Anlass für Rabat­te) hin­ter sich gebracht haben. Dass Hirm­er in Mün­chen mit­ten im Weih­nachts­ge­schäft die Man­tel­ab­tei­lung umbaut und natür­lich vor­her das Lager räu­men muss, zeugt auch nur von begrenz­tem Ein­falls­reich­tum. Jetzt kön­nen sich die Kun­den zwar auf eine tol­le neue 2. Eta­ge freu­en. Aber wer­den sie zum Frühjahr/Sommer über­haupt einen Man­tel suchen?

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Weit­aus auf­se­hen­er­re­gen­der ist dage­gen die Bel­staff-Akti­on bei Wool­worth. Dort gibt es dem­nächst 90.000 Tei­le der bri­ti­schen Kult-Mar­ke, u.a. Jacken zu Prei­sen von 99 bis 249 Euro; der OVP star­tet bei 495 Euro. Wool­worth-Chef Die­ter Schin­del kann sich über einen gelun­ge­nen Coup freu­en. Die Mar­ke spricht in ers­ter Linie die modisch Infor­mier­ten an und wird Wool­worth damit neue Kun­den in die Läden spü­len.

Aus Bel­staff-Sicht ist der Wool­worth-Fall natür­lich der GAU. Gera­de noch hat der CEO Har­ry Slat­kin anläss­lich der Eröff­nung an der Münch­ner Maxi­mi­li­an­stra­ße erklärt, wie hoch er mit Bel­staff hin­aus will. Und nun lan­det die Ware auf dem Wühl­tisch eines Bil­lig­hei­mers. S.Oliver brach­te der Wool­worth-Coup sei­ner­zeit vor allem gegen­über dem Han­del in Erklä­rungs­not. Bel­staff ver­liert dage­gen bei den Kon­su­men­ten an Glaub­wür­dig­keit. Was ist schlim­mer? Und was kommt als Nächs­tes? Hugo Boss? Pra­da?

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Und sonst? Spe­ku­liert der Inde­pen­dent, dass Ber­nard Arnault sich von der Geträn­kes­par­te von LVMH tren­nen will. Fir­miert der Kon­zern dann in LV um? Für die skur­rils­te Nach­richt sorg­te ges­tern Len­non-Wit­we Yoko Ono. Die 79jährige – Best Agers auf­ge­passt! – kommt mit einer eige­nen Mode­li­nie auf den Markt. Die ers­ten Ent­wür­fe für die Kol­lek­ti­on hat sie bereits 1969 ent­wi­ckelt. Ist das jetzt die längst fäl­li­ge Gegen­be­we­gung zu Fast Fashion?

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