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Bahner ist insolvent. Was sagt das über den Schuheinzelhandel? Und wann kommt Hermès & Mauritz?

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„Bah­ner-Grup­pe insol­vent“ – man ist geneigt, schnell über eine sol­che Nach­richt hin­weg zu lesen. Tat­säch­lich ver­birgt sich hin­ter dem Namen Bah­ner der fünft­größ­te deut­sche Schuh­ein­zel­händ­ler. Der betreibt Läden unter ins­ge­samt mehr als einem Dut­zend ver­schie­de­nen Mar­ken. Die bekann­tes­ten sind sicher­lich Lei­ser und Schuh­hof. Die TW schätz­te den Umsatz des 1891 in Ber­lin gegrün­de­ten Unter­neh­mens 2010 auf 216 Mill Euro. Die Grup­pe war bereits seit eini­ger Zeit unter wirt­schaft­li­chem Druck. 2010 ver­han­del­te man mit der HR Group über einen Ver­kauf. Der Schuh­her­stel­ler Joseph Sei­bel stieg dann als Gesell­schaf­ter bei Lei­ser ein. Jetzt will man die Fir­ma in Eigen­ver­wal­tung sanie­ren. Bis 23. Juni muss der Insol­venz­plan ste­hen. Dann wis­sen die 1450 Mit­ar­bei­ter in den 132 Filia­len, wie es wei­ter­ge­hen soll.

In aller Regel sind sol­che Kri­sen nicht fremd­ver­schul­det, son­dern einer man­gel­haf­ten Anpas­sung an Markt­ver­än­de­run­gen geschul­det. Dass das Schuh-Geschäft kein Boom-Busi­ness ist, damit haben die Unter­neh­men umzu­ge­hen gelernt. 2011 hat der Schuh­ein­zel­han­del rund 2% Umsatz ver­lo­ren, ins­ge­samt wur­den in Deutsch­land Schu­he für 7,8 Mrd. Euro ver­kauft. Was die Unter­neh­men unter Druck setzt, ist die rasant sich ver­än­dern­de Kon­kur­renz. Anders als im Tex­til­ein­zel­han­del sind es aller­dings weni­ger ver­ti­ka­le Retail­er, die den eta­blier­ten Mul­ti­la­bel-Anbie­tern Markt­an­tei­le weg­neh­men. Mit Bran­chen­pri­mus Deich­mann hat man sich arran­giert, von den inter­na­tio­na­len Ket­ten konn­te bis­lang kei­ner in wirk­lich rele­van­ter Grö­ßen­ord­nung Fuß fas­sen. Auch ver­le­gen sich die Lie­fe­ran­ten weni­ger auf Mono­la­bels­to­res. Was auch damit zusam­men­hängt, dass es unter den Schuh­an­bie­tern nur weni­ge ech­te Mar­ken gibt, die Store-fähig sind. Und die Kun­den – wahr­schein­lich mehr noch als bei Beklei­dung – die gro­ße Aus­wahl in Model­len und Pass­for­men mehr schät­zen, als dass sie auf einen bestimm­ten Mar­ken­na­men Wert legen. Mit Ecco, Tama­ris, Gabor und Lloyd (und natür­lich auch Adi­das und Puma) haben sich eini­ge Anbie­ter den­noch auf die ver­ti­ka­le Rei­se bege­ben.

Dafür dürf­ten die Mode­mar­ken sich mitt­ler­wei­le ein ordent­li­ches Stück aus dem Schuh-Kuchen geschnit­ten haben: Esprit, Marc O’Polo, Hugo Boss u.a. – sie ver­kau­fen ihre Schu­he auch in ihren Mono­la­bels­to­res. Dazu kom­men Beklei­dungs­händ­ler wie Zara, Mas­si­mo Dut­ti und H&M. Die haben kei­ne gro­ße Schuh-Aus­wahl, aber sie sind im modi­schen Bereich sehr kon­kur­renz­fä­hig. Über die Bil­lig-Tre­ter, die von Zeit zu Zeit bei Aldi & Co ange­bo­ten wer­den, ver­lie­ren wir bes­ser nicht zu vie­le Wor­te, aber das ist auch ein ordent­li­ches Volu­men. Und dann ist da noch das Inter­net. Zalan­do und sei­ne Epi­go­nen haben den Markt zuletzt stark auf­ge­mischt. Der Pure Play­er, seit Okto­ber 2008 am Netz, hat allein im ers­ten Halb­jahr 2011 rund 200 Mill. Euro umge­setzt – und damit in sechs Mona­ten so viel ein­ge­nom­men wie das 120 Jah­re alte Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men Bah­ner im gan­zen Jahr.

Noch wird das Bild des Schuh­ein­zel­han­dels stark von mit­tel­stän­di­schen Filia­lis­ten geprägt. Deren Schuh­häu­ser sind all­zu oft aber lei­der nicht gera­de die Schmuck­stü­cke der Fuß­gän­ger­zo­nen – teu­re Lager­hal­tung in 1a-Lagen. Man­che erin­nert das an die Struk­tur des Tex­til­ein­zel­han­dels vor 20 Jah­ren. Da gab Sinn, da gab es Hett­la­ge, da gab es Boe­cker, da gab es Lef­fers. Das waren in den 80er und frü­hen 90er Jah­ren die Stars der Bran­che. Sie waren so groß, dass sie sich unan­greif­bar wähn­ten. Aber sie waren zu groß, um noch fle­xi­bel auf loka­le Kun­den­be­dürf­nis­se ein­ge­hen zu kön­nen. Statt­des­sen haten sie mit kos­ten­trei­ben­der Kom­ple­xi­tät zu kämp­fen. Für den glo­ba­len Beschaf­fungs­markt, wo sich H&M&Co. bedie­nen, waren sie außer­dem zu klein. Und so wur­den vie­le von ihnen zwi­schen effi­zi­ent arbei­ten­den ver­ti­ka­len Spe­zia­lis­ten und kun­den­nah ope­rie­ren­den Platz­hir­schen auf­ge­rie­ben. So weit muss es im Schuh­han­del nicht kom­men. Wenn sich die Unter­neh­men dar­auf ein­stel­len.

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Und sonst?

Hat Hen­nes & Mau­ritz bestä­tigt, an einem neu­en Fili­al­for­mat zu arbei­ten. Angeb­lich han­delt es sich um ein höher­wer­tig posi­tio­nier­tes Kon­zept. Das ist nicht völ­lig abwe­gig, denn die im Güns­tig-Seg­ment posi­tio­nier­te Mar­ke H&M hat bei den Prei­sen wenig Spiel­raum nach oben. Was sich, wie auch die gera­de ver­öf­fent­lich­ten Quar­tals­zah­len wie­der zei­gen, bei stei­gen­den Beschaf­fungs­kos­ten auf die Erträ­ge aus­wirkt. Eine neue Mar­ke könn­te ein ele­gan­ter Aus­weg aus die­sem Dilem­ma sein. Die Gerüch­te vom “Luxus‑H&M” wur­den von Medi­en und Blogo­sphä­re jeden­falls mit Vor­freu­de auf­ge­nom­men. Ganz offen­bar gibt es Fans, die ein Ange­bot gou­tie­ren wür­den, das die Moder­ni­tät und den Style von H&M mit bes­se­rer Qua­li­tät und gepfleg­te­rem Auf­tritt kom­bi­niert. Und die bereit wären, dafür etwas tie­fer in die Tasche zu grei­fen. Man darf aber nicht zuviel erwar­ten. Aus H&M wird bestimmt nicht “Her­mès & Mau­ritz”. Denn die Schwe­den ver­ste­hen sich auf den Mas­sen­markt. Mit Cos ver­fügt man bereits über ein modisch spit­zes For­mat. Mon­ki und Week­day spre­chen Tee­nies und urba­ne Hips­ter an. Was im Port­fo­lio fehlt, ist ein gepfleg­tes Spor­ti­ment à la Mas­si­mo Dut­ti, mit Appeal für eine brei­te, kauf­kräf­ti­ge, erwach­se­ne Ziel­grup­pe.

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