Passiert large

Berlin ist gelaufen. Und Schlecker pleite.

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Mei­ne Ber­lin-Bilanz:

Die Mes­sen: Voll. Auf Pre­mi­um und Bread & But­ter war zeit­wei­se kaum Durch­kom­men. Im Win­ter ist in Tem­pel­hof nicht so viel Platz. Tat­säch­lich berich­ten eini­ge Aus­stel­ler von weni­ger Besu­chern. Auch gro­ße Anbie­ter wie Die­sel, Replay und Mel­tin Pot fehl­ten. Aus unter­schied­li­chen Grün­den, aber sicher auch der Kos­ten wegen. In Ita­li­en sieht die Welt zur Zeit halt anders aus. Den Ein­druck einer star­ken Ver­an­stal­tung kann das alles nicht min­dern. Ein Ach­tungs­er­folg ist der Show & Order im Heiz­kraft­werk gelun­gen. Der Ber­li­ner Ige­do-Able­ger The Gal­lery im Mos­kau mach­te eben­falls kei­nen schlech­ten Ein­druck. Für Bright, InFa­shion und die vie­len ande­ren Spar­ten-Mes­sen war lei­der kei­ne Zeit.

Die Stim­mung: Gut. Wie immer. Mes­sen sol­len ja auch Lau­ne machen. Es wird trotz­dem eine har­te Order­run­de. Der kata­stro­pha­le Herbst steckt den meis­ten Ein­käu­fern in den Kno­chen. Und die­se Zah­len und Erfah­run­gen bil­den nun mal die Grund­la­ge für den Ein­kauf zum nächs­ten Herbst/Winter. Die Unter­neh­men sind beim Blick auf 2012 all­ge­mein vor­sich­tig. Wer weiß, wie sich Staatschul­den und Euro-Kri­se aufs Kon­sum­kli­ma aus­wir­ken wer­den.

Die Schau­en: Die Mer­ce­des Benz Fashion Week hat sich gemau­sert. Im Zelt am Bran­den­bur­ger Tor jag­te eine Show die ande­re. Vor Sai­sons konn­te man zwi­schen­durch zum Sight­see­ing gehen. Über die Qua­li­tät der gezeig­ten Kol­lek­tio­nen kann man indes immer noch strei­ten. Auf den Rän­gen sit­zen Jour­na­lis­ten, Blog­ger, Cele­bri­ties und bun­tes Ber­li­ner Volk. Ein­käu­fer eher nicht.

Die Events: Weni­ger als zuletzt, aber immer noch mehr als genug. Hugo Boss und Esca­da hiel­ten sich zurück. Dafür fei­er­te Joop! ein Ber­lin-Come­back. Höchst aktiv die Medi­en: Gala, Bur­da, Madame, Jolie, FAZ und Vogue nutz­ten den Ber­li­ner Ter­min, um sich mit Emp­fän­gen, Cock­tails und Par­ties zu posi­tio­nie­ren. Das absei­tigs­te Event fand in einem Sex-Shop an der Urban­stra­ße statt. Die Dan­dy Dia­ry-Blog­ger David Roth und Carl Jakob Haupt luden zur Pre­mie­re des ers­ten Fashion-Por­nos.

Die Zukunft: Ber­lin ist defi­ni­tiv zum Pflicht­ter­min fürs Mode­busi­ness gewor­den. Das wird erst­mal so blei­ben. Inter­es­sant wird der Som­mer, wenn am Flug­ha­fen Schö­ne­feld ein neu­er Platz für die Mit­te ent­ste­hen soll. Pan­ora­ma kommt dem Drang vie­ler Mar­ken ent­ge­gen, beim Ber­li­ner Rum­mel dabei zu sein. Sie ist ein Reflex auf die gro­ße Nach­fra­ge nach Aus­stel­lungs­flä­che, die ins­be­son­de­re die Pre­mi­um ver­zeich­net, aber nicht befrie­di­gen kann. Die Fra­ge ist, ob die Anbie­ter vor den Toren der Stadt glück­lich wer­den. Und ob eine Mes­se­be­tei­li­gung die ein­zi­ge Mög­lich­keit ist, in Ber­lin Flag­ge zu zei­gen. Die Best­sel­ler-Grup­pe hat mit ihrem „Place to be“ die­sen ande­ren Weg gewählt. Die neu­en Düs­sel­dor­fer Ter­mi­ne sind zudem als kla­re Kampf­an­sa­ge gegen die Pan­ora­ma zu ver­ste­hen. Die Hal­le 29-Prot­ago­nis­ten haben kein Inter­es­se an einem teu­ren Mes­se­auf­tritt. Bei dem gewal­ti­gen Auf­trieb, den Ber­lin zwei­mal im Jahr erlebt, kann man näm­lich leicht ver­ges­sen, dass sich dort nur ein Teil des Mark­tes trifft. Was wächst, sind Sys­tem­flä­chen und ver­ti­ka­le Filia­lis­ten. In die­sem Geschäfts­mo­dell sind Mode­mes­sen nicht vor­ge­se­hen. Die Lie­fe­ran­ten der Markt­mit­te sind auf dem Weg in die Ver­ti­ka­li­tät. Ob die Retail-Träu­me der Indus­trie in jedem Fall auf­ge­hen wer­den, steht auf einem ande­ren Blatt. Aber auch Who­le­sa­le sieht heu­te ganz anders aus. Die Order‑, Pro­duk­ti­ons- und Dis­tri­bu­ti­ons­rhyth­men der Flä­chen­sys­te­me ver­lan­gen eine per­ma­nen­te Ver­triebs-Prä­senz, wie sie nur ein Show­room bie­tet. Ber­lin braucht der Markt trotz alle­dem. Denn das Mode­ge­schäft ist in hohem Maße ein Face-to-Face-Busi­ness. In Ber­lin geht es um Kom­mu­ni­ka­ti­on, um Inspi­ra­ti­on, um Moti­va­ti­on. Die Ber­li­ner Macher haben Ver­an­stal­tun­gen geschaf­fen, wie sie die Mes­se-Mana­ger andern­orts nicht auf die Bei­ne gestellt bekom­men haben. Dass die welt­größ­te Mode­mes­se in Deutsch­land statt­fin­det, davon pro­fi­tiert hier­zu­lan­de die gesam­te Bran­che.

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Frei­tag­mit­tag lan­de­te die LZ-SMS von der Schle­cker-Plei­te auf dem Han­dy. Für Insi­der kam die Nach­richt zwar nicht über­ra­schend. Ich war trotz­dem froh, dass ich mein Schnit­zel im Bor­chardts schon geges­sen hat­te. Schle­cker ist mit sei­nen über 7000 Läden und 30.000 Mit­ar­bei­tern immer noch Markt­füh­rer im deut­schen Dro­ge­rie­markt. Das Geschäft mach­ten in den ver­gan­ge­nen Jah­ren jedoch zuneh­mend dm und Ross­mann. Was nicht nur mit Fili­al­struk­tu­ren und Sor­ti­ments­pro­ble­men, son­dern auch mit dem kata­stro­pha­len Bild vom Aus­beu­ter-Unter­neh­men zusam­men­hängt. „Zuerst war der Ruf rui­niert, schließ­lich das Unter­neh­men“, fasst der Spie­gel zusam­men. Dass die­ses Geschäfts­mo­dell geschei­tert ist, habe fast schon etwas Tröst­li­ches. Die Schle­cker-Insol­venz ist einer­seits Fol­ge einer aso­zia­len Unter­neh­mens­füh­rung, die den Pro­fit über die Moral gestellt hat. Es wird sich nun zei­gen, ob sie nicht dar­über hin­aus deren Fort­set­zung ist. Denn das Plan­in­sol­venz­ver­fah­ren gibt dem Schle­cker-Manage­ment vie­le Mög­lich­kei­ten, sich von „über­flüs­si­gem“ Bal­last zu befrei­en. Auf Kos­ten von Mit­ar­bei­tern, Lie­fe­ran­ten und Ver­mie­tern. Drei Mona­te lang wird zudem der Steu­er­zah­ler die Gehäl­ter bezah­len. Schle­cker wird anschlie­ßend mit hoher Wahr­schein­lich­keit wie­der ein funk­tio­nie­ren­des Unter­neh­men sein. In jedem Fall ein klei­ne­res. Auch ein sau­be­res? Das wird glaub­wür­dig nur gelin­gen, wenn sich das Grün­der­ehe­paar künf­tig aus dem Manage­ment raus­hält.

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Und die­se Woche?

Wird Hen­nes & Mau­ritz für Schlag­zei­len sor­gen. Heu­te Abend läuft in der ARD der „Mar­ken­check H&M“. Zu bes­ten Sen­de­zeit um 20.15 Uhr. Die Fern­seh­leu­te wer­den die Bil­der von Hoch­glanz­wer­bung und gla­mou­rö­sen Events mit Auf­nah­men aus den Näh­fa­bri­ken in Ban­gla­desch zusam­men­schnei­den. Kun­den wer­den in der Fuß­gän­ger­zo­ne abge­fan­gen, Exper­ten mit bedeu­tungs­vol­ler Mie­ne All­ge­mein­plät­ze zum „Phä­no­men H&M“ abge­ben und Betriebs­rä­te über Schi­ka­ne lamen­tie­ren. Aber viel­leicht kommt’s ja auch ganz anders. Schau’n wir mal.

Anschlie­ßend läuft übri­gens Plas­bergs Hart aber Fair zum The­ma “Mein Kleid, Dein Kleid – wer zahlt den Preis für bil­li­ge Mode?”. Das wird sich allein schon wegen Talk­gast Wolf­gang Grupp anzu­schau­en loh­nen.

Am Don­ners­tag legt Hen­nes & Mau­ritz dann sei­ne Jah­res­zah­len vor. Welt­weit sind die Schwe­den nach wie vor auf Wachs­tums­kurs, flä­chen­be­rei­nigt sah es zuletzt aller­dings nicht ganz so gut aus. Im wich­tigs­ten Markt Deutsch­land waren die Umsät­ze nach neun Mona­ten (per Ende August) rück­läu­fig. Der viel zu war­me Herbst hier­zu­lan­de dürf­te wei­te­re Spu­ren in der GuV des zweit­größ­ten Mode­händ­lers der Welt hin­ter­las­sen haben. Eben­so wie die im ver­gan­ge­nen Jahr deut­lich gestie­ge­nen Beschaf­fungs­kos­ten.

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